Wir sind Landwirte. Über das Wetter reden gehört zu unserem Beruf. 2017 jedoch kamen auch wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. 2017 stand im Zeichen des Wassers, des Sturms, der Umstrukturierung und des Wachstums. Und war dennoch ein enorm fruchtbares Jahr.
Mitte April, Pflanzwoche in Havelmathen: „Guckt mal“, ruft Theresa freudig, „der Wind weht Blütenblätter über den Acker.“ Sie irrt, die Flocken sind Schnee und der Startschuss für ein Wetterchaos-Jahr ohne Gleichen. Wir pflanzen im Regen, übergeben das erste Mal in der Geschichte des bauerngarten die Parzellen im Nassen, haben Spätfrost im Mai und feiern das Erntefest in Pankow bei Regen in der Werkstatt.
Die Saisonvorbreitungen beginnen zunächst holprig. Bei der Grundbodenbearbeitung müssen wir improvisieren, weil unser nagelneuer, freudig erwarteter Traktor viel später als geplant geliefert wird. So steht zur Saisonübergabe teils noch viel Winterroggen in den Kreisen. Und als Herausforderung noch nicht genug, müssen sich Team und Bauergärtner an eine neue achtjährige Fruchtfolge in sechzehn neu strukturierten Beeten gewöhnen.
Nicht selten stehen in den ersten Saisonwochen Bauerngärtner*innen mit Beetplänen oder Smartphones in den Kreisen und machen sich mit der Beet-Arithmetik vertraut. „Wenn hier in 8A der Kopfsalat steht, dann ist doch aber 1B mit Rucola auch ein Salatbeet, oder?“ So oder ähnlich wird gerätselt. Kreuzblütler, Doldenblütler, Nachtschatten, wer es sich bis zur ersten Saisonhälfte in den Definitionen gemütlich gemacht hat, wird mit den zweiten Kulturen ab Juni noch mal herausgefordert. Manch einer entwickelt über den Sommer eine tief empfundene Dankbarkeit gegenüber den wahrlich wegweisenden, standhaften Kulturen wie Lauch oder Kartoffeln.
Die Saison beginnt mit strotzenden Salaten und lausfreiem Spinat. Gefolgt von scharfem Asia- und Rucolasalat und stolz behangenen Bohnen. Die Gurken haben zumindest in Mette mit den kalten Stürmen zu kämpfen, aber auf die Zucchini- und Mangoldschwemme ab Saisonmitte ist wie immer Verlass. Der Star des Ackers ist die Primabella, unsere unzerrüttbare Freilandtomate. Sie trotzt Regen und Sturm, entwickelt sehr spät Braunfäule. Auch die Kürbisse sitzen zunehmend breitgesäßig in den Beeten und ranken auf die Wiesen. Und die rote Bete, das erste Mal gepflanzt und nicht gesät, wird dick und saftig und steht teilweise bis zum Ende der Saison. Die Sorgenkinder 2017 sind die Doldenblütler. Der Sellerie bildet kaum Knollen, der Fenchel bleibt schlank und wird schnell gelb, hier und da schwächelt die Petersilie. Dafür wurzeln die Möhren treu in die Tiefe.
Mehltau und Braunfäule sind dieses Jahr moderat, dafür ärgern sich einige Bauergärtner*innen mit tierischen Plagegeistern herum. Kartoffelkäfer gibt es an allen Standorten, ebenso wie Wühlmäuse. Richtig zoologisch wird es allerdings in Havelmathen, wo Wildschweine um die Zäune streichen und ein Waschbär die Freude am Gemüseernten für sich entdeckt.
Zusätzlich zu den Gartenkreisen übernimmt das Team in diesem Jahr kurzfristig die 3 ha große historische Dreifelderwirtschaft im Botanischen Volkspark in Pankow. Wir betreten Ackerbau-Neuland, ringen mit einer explodierenden Kartoffelkäferpopulation, freuen uns über strotzende Kürbispflanzen und bangen ob der Nässe. Dennoch fahren wir im Herbst eine stolze Kartoffel- und Kürbisernte ein. Wir lernen viel über Direktvermarktung und freuen uns an unserem Stand am Ackerrand immer wieder über begeisterte Besucher.
Das Team des bauerngarten wächst und wandelt sich. Phillip, ausgebildeter Landwirt und agrarpolitisch sehr aktiv, stößt zum Team. Jennie und Anja sind neu dabei, kümmern sich um Flächensuche und Marketing. Theresa übernimmt mit der Umfirmierung in die GbR zum Jahresbeginn die Betriebleitung und Max sorgt in eigener Sache für die Vergrößerung des Teams: er wird Ende Juli Vater.
Hinter den Kulissen tragen außerdem jahrelange Netzwerk- und Rechercheaktivitäten Früchte. Der bauerngarten erhält im September die Zusage für eine neue Fläche in Ahrensfelde, am östlichen Stadtrand Berlins. 2018 gibt es damit in jeder Himmelsrichtung von Berlin einen bauerngarten-Standort. Wir umzingeln die Stadt mit Gärten :).
Wir blicken – schon auch ein wenig stolz auf die Saison 2017 zurück und danken allen Bauerngärtner*innen, dass Ihr dabei wart. Auf ein weiteres fruchtbares und freudiges neues Gartenjahr!