Aus zwei Gründen ist es bei Blattgemüse und Kräutern besonders wichtig, sich Gedanken um das richtige Vorgehen bei der Ernte zu machen. Erstens werden hier viele Kulturen mehrfach, teilweise über einen längeren Zeitraum hinweg geerntet. Die Ernte hat somit auch Einfluss auf das weitere Wachstum der Pflanzen, vor allem auf den Ertrag und die Pflanzengesundheit. Zweitens sind die Blattgemüse und Kräuter nachdem sie geerntet wurden sehr anfällig für Welke und Fäule. Es ist schon ein kleines Kunststück, den Salat genauso knackig und voller Saft in die eigene Küche zu schaffen, wie er auf dem Acker geerntet wurde. Hier müssen wir uns Gedanken um die Erntenachbereitung machen.
Allgemeine Erntetipps
Zunächst einige Begriffserläuterungen:
Erntezeitpunkt: An heißen Tagen hängen die Blätter von Salat, Mangold und Spinat manchmal schon am Mittag schlapp herunter. Das liegt daran, dass sie den Tag über manchmal mehr transpirieren, also die Blätter mehr Flüssigkeit abgeben, als sie „nachtrinken“ können. In der Nacht wird der Vorrat wieder aufgefüllt. Wer die Möglichkeit hat, früh morgens zu ernten, trifft das Gemüse in seiner frischesten Form an.
Wässern: Das Erntegut sollte in jedem Fall für mindestens zehn Minuten in frisches Brunnenwasser getaucht und anschließend im Schatten abgetropft werden. Am besten zum Tauchen eignen sich die schwarzen Kunststoffeimer oder die Wannen an den Wasserhähnen. Das Wässern hat zwei wichtige Effekte: Zum einen saugen sich die Blätter nochmals mit Wasser voll. Viel wichtiger aber ist, dass die Blattmasse abgekühlt wird. Weil die Blätter nach der Ernte weiterleben (also auch weiter atmen und verdunsten), bremsen wir hiermit den Stoffwechsel und sorgen dafür, dass die Ernte lange frisch bleibt.
Verpackung und der Weg nach Hause: Geerntetes Blattgemüse reagiert sehr stark auf Witterungseinflüsse wie Wind und Sonne. Der Salatkopf, der am Gartentor noch stolz auf dem Fahrradkorb thront, ist zu Hause manchmal nicht wieder zu erkennen. Um Blattgemüse und Kräuter vor Wind und Witterung zu schützen, empfehlen wir, sie unmittelbar nach dem Wässern und Abtropfen gut zu verpacken und schnell nach Hause in den Kühlschrank zu bringen. Als Verpackungsmaterial haben Plastikbeutel den Vorteil, dass Sie das abtropfende Wasser auffangen und winddicht sind. Feuchte Handtücher sind auch denkbar. Sie haben den Vorteil, dass sie bei warmer Umgebungstemperatur selber verdunsten und somit auch aktiv kühlen.
Blätter von Wurzelgemüsen ernten? Viele Blätter von Wurzel- oder Knollengemüsen wie Radieschen, Karotten, Fenchel oder Rote Bete lassen sich verzehren. Besonders Smoothie-Freunde empfinden die Blattmasse als sehr hochwertig, gewissermaßen als den eigentlichen Teil der Ernte. Für andere Gärtner*innen ist es zu viel des Guten – hier verbleiben die Blätter als Mulchmaterial auf dem Acker. Beides ist legitim. Wer seine Blätter von Radies, Karotten und Rote Bete als Blattgemüse ernten will, sollte sie entsprechend behandeln: Wichtig ist es, die Wurzel/Knolle nach der Ernte vom Blatt zu trennen. Das geschieht durch Abschneiden oder Abdrehen. Ansonsten werden die Blätter auf dem Heimweg leicht in Sand paniert und von den Knollen zerdrückt. Darüber hinaus macht es sich bei der Lagerung im Kühlschrank später bemerkbar, dass Wurzeln und Knollen für die Pflanze als Speicherorgan fungieren. Sie kommen auch im Kühlschrank ihrer Funktion nach und ernähren die Blätter aus eigener Substanz. Bleiben die Blätter während der Lagerung am Gemüse, schränkt das die Haltbarkeit besonders bei Radies und Fenchel stark ein. Dass Mensch auf Wochenmärkten oft noch die Blätter am Gemüse vorfindet, hängt damit zusammen, dass diese dem Käufer als Frischeindiz dienen und dafür geschätzt werden.
Wie ernte ich was?
Nirgendwo wird der Zusammenhang zwischen Pflege und Ernte so deutlich wie im Kräuterbeet, denn hier sind die Kulturen besonders langlebig. Alle Kräuter werden bei der Ernte eingekürzt. Das geschieht entweder mit den Fingern oder mittels einer Schere. Dabei wird das obere Drittel der Triebe abgeknipst. So verzweigen sich die restlichen Triebe immer wieder neu und es entsteht mit der Zeit ein schöner Busch. Das gilt auch für das Basilikum im Wunschbeet. Kürzt man die Kräuter zu tief, werden sie zu sehr geschwächt und der Ertrag wird gemindert. Werden sie zu selten eingekürzt, beginnen sie zu blühen: Wenn die Pflanze einmal ihre Samen ausgereift und Nachwuchs in die Welt gesetzt hat, ändert sich der Hormonhaushalt und die Pflanze fährt das Blattwachstum zurück. Nur wenn die Kräuter regelmäßig beerntet werden, bleiben sie die ganze Saison über im Wachstum.
Das Mangold-Paradox: Wer gerne Mangold isst, hat weniger Ernten als derjenige, der keinen Mangold mag. Mangoldmuffel haben meist die schönsten Pflanzen und können sich vor Ernte kaum retten. Wie kann das sein? Blätter und Wurzeln befinden sich in einem Gleichgewicht, viele Blätter = viele Wurzeln. Wenn eine Pflanze viele Wurzeln gebildet hat, hat sie eine gute Grundlage, um in kurzer Zeit viel Blattmasse nachzubilden. Beginnt der Mangoldliebhaber früh mit der Ernte, passt sich die Wurzelmasse dem Blattwerk an – die Pflanze bleibt klein, es gibt wenig Ernte. Mangoldmuffel hingegen ernten spät und wenig, so kann aus der Pflanze ein mächiger Busch werden. Unsere Empfehlung: Mangoldfreunde sollten am Anfang zurückhaltend ernten, Mangoldmuffel zum Saisonbeginn kräftig zuschlagen.
Schnittlauch wird mit dem Messer wenige Zentimeter über dem Boden abgeschnitten. Das geht am besten, wenn man die gesamte Pflanze mit der Hand umgreift oder gleich ein Band/Haushaltsgummi darüber streift und den gesamten Bund abschneidet. Einzelne, übrige Blätter sollten zusätzlich entfernt werden, damit die Pflanze wieder neu austreibt und nicht ihre ganze Kraft in die verbliebenen Blätter steckt.
Petersilie und Mangold werden beerntet, indem die äußeren Blätter/Stiele abgebrochen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass möglichst keine Stielreste an der Wurzel verbleiben. Die stören vor allem beim nächsten Ernten, können schlecht verheilen und sind so Einfallstore für Krankheiten. Der richtige Handgriff erfordert ein bisschen Übung. Wenn Du unsicher bist, frag am besten eine Kreisnachbarin ob sie es Dir einmal zeigen kann.
Beim Spinat gibt es zwei Erntemöglichkeiten.
- Er wird wie der Schnittlauch ebenerdig abgeschnitten. Die Wurzeln können gut in den Boden eingearbeitet werden. Sie enthalten Saponine („Seifenstoffe“), welche das Wachstum der umliegenden Pflanzen fördern.
- Statt ihn mit einem Mal abzuernten, werden wöchentlich die dicksten Blätter gezupft. Das Erntefenster wird dabei begrenzt von zwei weiteren Faktoren: den Blattläusen und der Blüte. Erstere sind unangenehm, sie stören vor allem beim Putzen der Blätter. Letztere lässt die Spinatpflanze bitter werden und leider auch die Nitratkonzentration steigen.
Salat wird in der Regel ebenfalls über dem Boden am Strunk abgeschnitten. Wem das zu viel Ernte auf einmal ist, der kann auch da beginnen, die äußeren Blätter zu ernten. Der Salat wächst dann Stück für Stück in die Höhe. Mit der Zeit werden die Blätter allerdings immer herber. Eine weitere Möglichkeit ist, den Salat mit Wurzeln zu ernten. Vorsicht mit dem Sand, er macht sich gerne in den Blättern breit. Aber wer die ganze Pflanze unbeschadet in die Küche bekommt, wird belohnt: Auf dem Küchentisch – die Wurzeln in ein Glas Wasser gestellt – bleibt er lange frisch und ist gleichzeitig Deko und Snack.