Jahresrückblick 2020

Zur alljährlichen „Wir haben es Satt“-Demo war noch alles in Butter. Emma und Heide hatten den neuen kleinen Kubota aufwändig geschmückt und gemeinsam mit dem großen Bruder knatterten wir mit viel Krach durch Berlin und schrien aus vollem Leibe die Agrarwende herbei. Nach den vielen Wochen Büroarbeit waren wir froh, endlich mal wieder frische Luft um die Nase zu haben, die Stimmung war mitreißend und der Januar war mild.

Zuvor hatten wir das junge Jahr genutzt, um die Steuererklärung vorzubereiten, das Buchprojekt an dem Max und Theresa seit drei Jahren arbeiten – ein Ratgeber zur Anlage von Gemüseselbsternte-Parzellen- in die letzte Runde zu schicken, die alljährlichen Jungpflanzenbestellungen für die Saison abzuschließen, die Hof Wendelin GbR abzuwickeln und die Umfirmierung auf Hof Wendelin zu vollenden, Theresas Abschied aus dem Betrieb vorzubereiten, die neuen Kollegen Birk und Emma einzuarbeiten und die Aufgaben im Team neu zu verteilen.

Einige Tage nach der Demo kam dann die Nachricht, dass in unseren Lagerräumen in Pankow eingebrochen worden war. Der schöne kleine Kubota war einer der vielen Dinge, die dem Einbruch zum Opfer fielen. Den Demo-Schmuck hatten die Diebe da gelassen und der stand nun etwas verloren im Lager herum.

Neben einem umfangreichen Versicherungspaket war eine der Sofortmaßnahmen, die wieder angeschafften Wertsachen (Akkuschrauber etc.) im Sprinter zu lagern. Dass dies eine dumme Idee war, merkten wir, als Anfang Februar der Sprinter aufgebrochen und leer geräumt wurde.

Etwas geknickt aber voller Überzeugung, uns davon nicht die Laune verderben zu lassen, arbeiteten wir uns weiter an das Frühjahr heran. Die Traktoren wollen abgeschmiert und gewartet sein, damit wir uns – sobald der Boden trocken genug ist – mit Vollgas der Bodenbearbeitung widmen können. Begleitet wurden unsere Vorbereitungen von Nachrichten einer seltsamen Lungenerkrankung aus Wuhan in China, die sich in Windeseile über den Globus ausbreitete. Am 11.März, drei Tage bevor der Traktor das erste Mal für die Bodenbearbeitung auf den Acker rollte, erklärte die WHO die Viruserkrankung Covid-19 zur weltweiten Pandemie. Viel stand damals für uns im Team in Frage! Wie schlimm kann so eine Pandemie unsere gesellschaftlichen Abläufe stören oder zum Erliegen bringen? Werden wir auf dem Acker arbeiten können? Werden die Bauerngärtner*innen in ihre Parzellen dürfen?

Glücklicher Weise blieb wenig Zeit für uns, sich den Kopf zu zerbrechen. Während sich die Supermarktregale stetig leerten, Kitas und Schulen schlossen und alle Welt im Homeoffice ausharrte, folgten wir, als systemrelevante Landwirte geadelt, mehr oder weniger uneingeschränkt unserem Arbeitsalltag. Welch ein Privileg, aber ganz fair fühlte sich das nicht an.

Kurz vor der alljährlichen Ackerbegehung kam die Ausgangssperre und damit war klar, dass wir diese erste Veranstaltung im Jahr ausfallen lassen. Mit den steigenden Fallzahlen wuchs bei uns die Sorge, dass unser 20-köpfiges Pflanzteam ausfallen könnte und die Pflanzen auf dem Acker vertrocknen, statt in den fertig vorbereiteten Ackerboden gesetzt zu werden.

Diese Sorge bewegte uns dazu, einen Hilferuf an unsere Bauerngärtner*innen abzusenden, der eine überwältigende Welle von Unterstützung in Gang setzte. Innerhalb von Stunden bildeten sich Pflanzhelfer-Listen, Patenschaften für Neugärtner und AGs zur Erarbeitung von professionellen Infomaterialien für eine Corona konforme und dezentrale Saisoneröffnung, einem Einführungsvideo und vieles vieles mehr. Möglich, das Infomaterial zu erstellen, wurde es auch, weil unser Verein „Freundeskreis bauerngarten“ glücklicher Weise Corona-Hilfen bewilligt bekommen hat – ohne die wären die Plakate schwer bezahlbar gewesen.

Uns im Pflanzteam gab die große Unterstützung durch die Bauerngärtner*innen einen unglaublichen Rückenwind. Zudem gab sie uns das schöne Gefühl, dass Krisen auch die besten Seiten in uns Menschen zum Vorschein bringen können.

Dabei war klar: Verschiedene Umstände machten die Saisonvorbereitungen für uns auch ohne die Corona-Krise zur echten Herausforderung. Erstens hatten wir den über Jahre eingespielten Ablauf der Saisonvorbereitung über den Haufen geworfen. Die Pflanzarbeiten sollten, statt in vier, in zwei Wochen stattfinden, damit der Beikrautdruck zum Saisonstart niedriger ist. Dafür wollten wir mit doppelter Teamgröße arbeiten. Zweitens sollten die Standortpflegearbeiten in der Saison mit neuen Kleintraktoren an den vier bauerngarten-Standorten dezentral durchgeführt werden, statt wie früher mit einem Traktor, der regelmäßig im Sprinter quer durch Berlin fuhr. Dafür waren noch einige Vorbereitungen zu treffen.

Dementsprechend zufrieden waren wir, dass wir nach zwei Wochen harter körperlicher Arbeit die Parzellen fertig vorbereitet hatten und sie übergeben konnten. Etwas an unserem Verstand gezweifelt haben wir allerdings, als das angebotene Notfalltelefon zum Zeitpunkt der dezentralen Saisoneröffnung nicht ein einziges Mal klingelte. Dazu muss man wissen, dass die Saisoneröffnung bisher eine Großveranstaltung mit weit über 200 Menschen je Standort war und wir im bauerngarten-Team bisher den Eindruck hatten, innerhalb von vier Übergabe-Tagen, jede*r 40.000 erläuternde und unentbehrliche Worte gesprochen zu haben.

So gingen wir am 2. Mai glücklich aber mit runtergelassenem Visier, ob der ganzen Unwiedrigkeiten, in diese seltsame Saison und versuchten uns in das Saisongeschehen einzufinden. Anfangs gab es einige Schwierigkeiten beim Auflauf der Säkulturen, insbesondere die Erbsen wurden zeitweilig totgesagt. Während die Niederschläge zwar wenig blieben, aber weitaus regelmäßiger kamen als in den Dürrejahren 2018 und 2019, blieben die Temperaturen bei uns über lange Abschnitte unterdurchschnittlich, zeitweilig richtig kühl, was besonders das Fruchtgemüse weit hinter die Erträge der letzten Jahre zurückfallen ließ.

Überragend hingegen war die Performance von den Newcomern Neuseeländer Spinat und Süßkartoffel – zumindest dem Blattwachstum nach bemessen, wurden unsere Erwartungen weit übertroffen.

Auch die Qualität der Jungpflanzen, die wir von unseren Partnern Jungpflanzenmanufaktur Britz und Biolandgärtnerei Watzkendorf erhielten, war von wenigen Ausnahmen abgesehen klasse! Vielen Dank nochmal an die Kolleg*innen! Einige Kulturen wie der Sellerie hatten auch ein absolutes Hoch – so große Sellerie wie 2020 haben wir im bauerngarten lange nicht gesehen.

Zufrieden und sehr positiv überrascht waren wir auch über das große Engagement der Standortpfleger*innen und Assistent*innen und die Tatsache, dass wir uns gemeinsam als neues Team in den bauerngarten-Betrieb so gut eingefunden haben. Danke nochmal liebe Standortpfleger*innen & Assistent*innen, ihr wart klasse!

Was wir nächstes Jahr unbedingt besser machen wollen, ist die Vorausplanung der Maltaflor-Düngemengen, hier kam es vereinzelt zu Engpässen. Auch mit unseren Wechselkreisbewirtschaftungen waren wir nicht immer zufrieden, hier mussten wir viel nachsäen.

Klar ist, dass diese besondere Saison von allen Bauerngärtner*innen anders wahrgenommen wurde, als bisherige. In Erinnerung geblieben ist uns:

  • Die Parzellen und, ganz besonders, die Kräuterbeete waren zum Saisonbeginn so gepflegt wie nie.
  • Sehr häufig haben wir von euch Bauerngärtner*innen vernommen, dass der bauerngarten als Ort im Freien durch die Pandemie nochmal an Bedeutung gewonnen hat.
  • dass erstaunlich viel positiver Pragmatismus und wenig Missverständnisse oder Meinungsverschiedenheiten, hinsichtlich des Umgangs mit dem Coronavirus, an uns herangetragen wurden.

Eine milde zweite Jahreshälfte ließ das Gartenjahr dann ruhig und ohne große Abenteuer ausklingen. Das Resteplündern war für uns im Team nochmal eine Herausforderung. Angesichts steigender Infektionszahlen und dem Lockdown light vor der Türe, beendeten wir am letzten Oktoberwochenende die bauerngarten-Saison 2020. Im Team ging es dann im vollen Tempo bis kurz vor Weihnachten weiter. Beschäftigt hat uns in dieser Zeit vor allem die Planung einiger kleiner Bauvorhaben, wie der lange fällige Werkzeuganhänger für den bauerngarten Pankow, die Wildobsthecken und die Planung der kommenden Saison und der Zeit darüber hinaus. Dabei waren auf einmal die Ackertage eine willkommene Abwechselung zu langen und schwer konzentrierten Bürotagen.  Bei der Saisonplanung spielten die Anbauplanung 2021 inklusive Saatgut- & Jungpflanzenbestellung und nicht zuletzt das gute alte Thema Flächensicherung und Akquise neuer Ackerflächen für die bauerngarten-Standorte eine große Rolle.

Das Jahr 2020 begann turbulent, war voller Herausforderungen und eher eines der aufregenden, als der routinierten und gediegenen, bauerngarten-Jahre. Ich persönlich habe gemerkt, dass es für mich zunehmend wichtiger wird, mich aus manchen Arbeiten raushalten zu können. Viel wichtiger ist es manchmal, sicher zu stellen, dass meine Kolleg*innen alles vorfinden, was sie benötigen, um ihre Arbeiten konzentriert und mit guter Aussicht auf Erfolg verrichten zu können.

Rückblickend finde ich es immer wieder faszinierend, wie auf die dringenden Fragen der Saison (läuft das Wasser, haben alle genug Jungpflanzen, was tun mit den Wilden Parzellen) nahtlos die Vorbereitung der Buchung & Planung für die kommende Saison folgt. Wie der einst so ruhige Winter inzwischen vollgestopft mit Vorhaben und Terminen ist und wie sich das Rad immer munter weiterdreht. Es sei denn, man hält es mal an. Das habe ich meiner Familie zuliebe dieses Jahr gemacht und verabschiede mich mit diesem Gartentelegramm in einen Sabbat-Monat.

Ich wünsche meinen Kolleg*innen Birk, Emma und Emilio einen guten Januar. Vielen Dank nochmal für eure tolle Mitarbeit und genießt die 4 Wochen ohne Chef :-)

Unseren Bauerngärtner*innen wünsche ich einen guten Start ins neue Jahr 2021, sage herzlichen Dank fürs Mitmachen und freue mich darauf, euch im kommenden Frühjahr zwischen Kirschblüten und grünen Bäumen wieder auf dem Acker zu begrüßen. Bis dahin möge es noch viel schneien!

Herzliche Grüße

Max

P.S. Eine frohe Kunde an alle Mette-Gärtner*innen: Nachdem uns die Bewässerungsanlage die letzten Jahre so übel zugespielt hat, ist es geschafft! Anfang November ist der neue Brunnen in Betrieb genommen worden, die Steuerkabel sind neu verlegt und ein nagelneuer Bewässerungscomputer installiert. Der Sommer kann – zumindest was dieses Thema angeht – also kommen.